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1. Einleitende Worte
Kein Zweifel, kaum ein Werk der Weltgeschichte kann sich bezüglich seines Einflusses und seiner Bedeutung aufschwingen, das Rāmāyaṇa, „das ‚Evangelium‘ des Hinduismus“, zu übertreffen. Robert P. Goldman übertreibt sicher nicht, wenn er zu Beginn der Einleitung zu seiner Ausgabe des Bāla-kāṇḍas des Rāmāyaṇas A. A. Macdonell zitiert und hinzufügt:
Wenige Werke, unabhängig davon, in welchem Teil der Welt sie entstanden, sind so populär, bedeutsam und erfolgreich gewesen, und wenige sind so oft nachgeahmt worden wie das große und aus längst vergangenen Zeiten stammende Sanskrit-Epos – das Vālmīki Rāmāyaṇa.
Selbst in einem Land wie Indien, das auf einen schier unerschöpflich erscheinenden Fundus von Geschichten zurückgreifen kann, in denen Gott und Götter beschrieben werden, nimmt die Erzählung des Königssohnes Rāma und seiner ewigen Gemahlin Sītā eine herausragende Stellung ein. Als vor rund zwanzig Jahren (wieder einmal) eine mehr als dreißig Teile umfassende Fortsetzungsserie des Rāmāyaṇas im indischen Fernsehen lief, waren die Straßen Indiens Sonntag für Sonntag für eine Stunde leergefegt. Fast jeder versuchte, irgendwie einen Platz vor einem Fernsehgerät zu ergattern. Um das gleiche Ausmaß dieser Aufmerksamkeit auch nur annähernd in Deutschland zu erreichen, müsste schon das Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland mit deutscher Beteiligung stattfinden.
Schauspieler, die in solch einer Rāmāyaṇa-Serie eine der Hauptrollen spielen (Rāma, Sītā, Lakṣmaṇa, Hanumān usw.), sind in Indien Volkshelden und lassen sich bisweilen auch für politische Kampagnen gewinnen. Es mussten sogar schon Gerichte bemüht werden, um solch einem Kandidaten zu verbieten, zu seinen Wahlveranstaltungen demonstrativ mit dem Hubschrauber einzufliegen. Das Element des „Herabsteigens aus dem Himmel“ hätte ihm einen ungerechtfertigten Bonus einbringen können, wurde von seinen politischen Gegnern moniert. Natürlich wusste jeder um diesen Effekt, und folgerichtig untersagte das Gericht dem, im doppelten Sinne des Wortes, engagierten Schauspieler einen solchen Auftritt.